Dass River Plate Buenos Aires nach der ver­gan­genen Saison den Gang in die zweite Liga antreten musste, damit hatte in Argen­ti­nien nun wirk­lich nie­mand gerechnet. Zu ver­woben ist das Weiß-Rot der Mil­lo­na­rios mit der Geschichte des argen­ti­ni­schen Spit­zen­fuß­balls, zu prä­sent die glor­rei­chen Zeiten des Rekord­meister, der allein in den Neun­zi­gern acht Mal die natio­nale Meis­ter­schaft gewinnen konnte. 

Ebenso über­ra­schend kam der Abstieg anscheinden auch für die größte argen­ti­ni­sche Sport­zei­tung Olé“. Die Online-Ver­sion des Blattes schmückt sich seit jeher tra­di­tio­nell mit den Wappen der 2o Erst­li­gisten. Zur Ver­wun­de­rung vieler war aber auch Wochen nach dem Abstieg das Logo von River wei­terhin auf der Seite prä­sent. Schnell gingen in der Redak­tion die ersten Mails ein, in denen auf­ge­brachte Leser (Gerüchten zufolge nicht Wenige mit einer gewissen Nähe zum Rivalen Boca Juniors) die Redak­tion auf­for­derten, das Logo von River Plate end­gültig von der Seite zu ent­fernen.

Die Olé“-Redaktion saß in der Zwick­mühle: Einer­seits würde man mit einer Enfer­nung des Logos die zweit­größte Fan­ge­meinde der Nation ver­grätzen und so ris­kieren, einen signi­fi­kanten Teil der Leser­schaft zu ver­graulen. Ließe man das Logo auf der Home­page, müsste man eine Lex River“ ver­ab­schieden und somit den eigenen Prin­zi­pien und Tra­di­tionen untreu werden. 

Der Abstieg von River ist nicht dem anderer Klubs zu ver­glei­chen“

Die Ant­wort auf das Anliegen zahl­rei­cher Leser kam schließ­lich von Leo Fari­nella, seines Zei­chens Olé“-Star-Kolumnist in Sachen River: Liebe Freunde von Olé“, wir haben von Einigen von euch die For­de­rung erhalten, das Wappen von River aus unserer Online-Aus­gabe zu ent­fernen“, schrieb der Jour­na­list. Nach einigen Dis­kus­sionen, haben wir uns dazu ent­schieden, das Wappen auf der Seite zu lassen und an den letzten Platz zu stellen und mit einem weißen Hin­ter­grund zu unter­legen, um ihn von den Logos der Erst­liga-Teams zu unter­scheiden. Wir möchten damit dem Fan von River Plate zeigen, dass er uns immer­noch wichtig ist und, dass wir ihn im schmerz­haf­testen Moment seiner Geschichte nicht im Stich lassen.“

Bereits eine merk­wür­dige Logik, aber es wird noch besser: Der Abstieg von River ist mit dem anderer Klubs nicht zu ver­glei­chen. Warum sollten wir diesen Platz nicht für einen der wich­tigsten Ver­eine in Argen­ti­nien reser­vieren?“ Ein State­ment wie eine Ohr­feige für Klubs, die eben­falls den Gang ins Unter­haus antreten mussten. Doch mit dieser Reak­tion macht die Redak­tion von Olé“, ohne es zu wissen, den glei­chen Fehler, den schon die argen­ti­ni­sche Liga und die Ver­eins­bosse der Mil­lo­na­rios gemacht hatten. Ein Fehler, der den Klub letzt­end­lich in den sport­li­chen Ruin trieb. Es ist das eigene Selbst­ver­ständnis, getreu dem Motto: Wir machen eine Aus­nahme, es ist doch nur River Plate.“

Den Großen wird schon nichts pas­sieren. Oder etwa doch?

Der Glaube, dem eins­tigen Vor­zei­ge­klub würde schon nichts pas­sieren, auch wenn seriöse Ver­eins­po­litik und ein grund­le­gendes Kon­zept seit Jahren fehlen, hält sich wacker in den oberen Ver­eins­re­gimen. Doch wie sich spä­tes­tens am Ende der letzten Saison her­aus­stellte, liegt in diesem Selbst­ver­ständnis das Übel.

Ja, es ist nur River Plate. Das Pro­blem aber: Im Fuß­ball kann sich nie­mand auf dem Ruhm ver­gan­gener Tage aus­ruhen, dafür gibt es zu viele Ver­eine, die einen moder­neren, rich­tigen Weg gehen und am Ende nur auf die Chance warten die Old­timer in der Ver­sen­kung ver­schwinden zu lassen. Das nennt man sport­liche Evo­lu­tion und wurde bei River leider viel zu spät erkannt. Nun ist es ent­schei­dend, ob und was die Ver­ant­wort­li­chen aus ihren Feh­lern der Ver­gan­gen­heit gelernt haben.

Die Argen­ti­nier pflegen ihre Idole und lassen ihnen das aller­meiste klaglos durch­gehen. Eine bemer­kens- und gleich­zeitig benei­dens­werte Loya­lität, die sich von Peron bis Mara­dona wie ein roter Faden durch die Geschichte des Landes zieht. Wenn Ver­eh­rung aber die Abs­ti­nenz von Kritik bedeutet, ist keinem geholfen. Die Demo­kra­ti­sie­rung des argen­ti­ni­schen Fuß­balls ist eine nötige Folge. Und die­je­nigen, die es richtig machen – jene auf­stre­benden, mutigen Klubs – haben nach­hal­tigen Erfolg. Des­wegen müssen sich die ehe­mals Großen end­lich umori­en­tieren, viel­leicht sogar neu erfinden. Ansonsten werden sie eines Tages nicht mehr mit­halten können, der Anschluss scheint bereits ver­loren. Und sollten im Falle eines Unter­gangs ihre Ver­eins­em­bleme von der Seite der Zei­tung Olé“ ver­schwinden, wird es viel­leicht nie­manden mehr inter­es­sieren.


Unser Autor Eti­enne Leue lebt und arbeitet in Buenos Aires. Von dort aus betreibt er den for­mi­da­blen Blog Argi Futbol.

ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWeUnrJuwsSrqpygnJazprrEZpyvp5yqwaq7zWhram9ha4Y%3D