Bernd Schneider, an welche Stern­stunde Ihrer Kar­riere erin­nern Sie sich am liebsten?
Zwei Tore sind mir beson­ders in Erin­ne­rung geblieben: Gegen Borussia Dort­mund habe ich einmal von der Mit­tel­linie aus getroffen, und bei einem Pokal­spiel gegen Jahn Regens­burg stand ich sogar in der eigenen Hälfte und habe das Ding rein gemacht.

Können Sie beschreiben, wie es sich anfühlt, so ein Tor zu schießen?
Im besten Fall spürt man bereits in dem Moment, wenn der Ball den Fuß ver­lässt, dass er rein gehen wird.

Ein traum­haftes Gefühl, oder?
Natür­lich freuen mich solche Momente. Aber ich bin da nicht ego­is­tisch: Wenn ich im Fern­sehen sehe, wie Diego den Ball von der Mit­tel­linie über den Tor­wart hebt und der Keeper nur noch machtlos in Rück­lage gerät, macht mir das genauso Spaß.

Sehen Sie Spiele von sich im TV und erkennen erst dabei, wie gut eine bestimmte Aktion war?
Auf dem Platz ist alles viel enger. Des­halb stelle ich immer wieder über­rascht fest, wie viele gute Pässe oder geis­tes­ge­gen­wär­tige Aktionen von Kom­men­ta­toren ein­fach über­sehen werden. Den Spre­chern fehlt oft die Kom­pe­tenz nach­zu­voll­ziehen, wie schwierig man­cher Pass auf dem Feld zu spielen ist.

Sind Sie ein Schach­spieler, der Spiel­züge im Voraus erahnt?

Nein, ich spiele intuitiv. Alles geschieht aus dem Bauch und der Situa­tion heraus. Natür­lich kenne ich viele Situa­tionen aus dem Trai­ning, die auch im Spiel ähn­lich ablaufen. Aber im Fuß­ball gleicht keine Sequenz genau der anderen. Das macht es so span­nend.

Mit Sys­tem­fuß­ball können Sie dem­nach nicht so viel anfangen.
Das kommt immer darauf an. Jeder Profi muss in der Lage sein, in einer vor­ge­ge­benen For­ma­tion zu spielen und in der Defen­sive mit­zu­ar­beiten. Aber wir sind alle Indi­vi­duen, und um Erfolg zu haben, muss man immer wieder über­ra­schende Akzente aus dem Spiel heraus setzen, die so nicht planbar sind.

Ist der Fuß­ball in Deutsch­land tak­ti­scher geworden?
Früher haben wir mehr Mann­de­ckung gespielt, heute ent­stehen die meisten Aktionen im Raum, obwohl es immer wieder vor­kommt, dass der ein oder andere zur Mann­de­ckung über­geht.

Kriegt jemand wie Sie oft einen Gegen­spieler auf die Füße gestellt?
Ab und zu kommt es vor, dass mir selbst in der Defen­sive einer hin­ter­her­läuft. Aber früher war das deut­lich extremer.

Wird Ihnen auf dem Platz oft weh­getan?
Nicht im Übermaß, kör­per­li­ches Spiel gehört zum Fuß­ball dazu.

Wobei einer wie Sie wahr­schein­lich eher ein­steckt als aus­teilt.

Wer das Spiel gewinnen will, muss sich wehren können. Zu meinem Job gehört es, die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Gegen­spieler für mich zu ent­scheiden.

Auf Ihrer Home­page erwähnen Sie, dass Roberto Carlos Ihnen als Gegen­spieler beson­ders in Erin­ne­rung geblieben ist.
Weil er ein sehr starker, aber auch ange­nehmer Gegen­spieler war.

Ist das kein Wider­spruch?
Für mich nicht, denn es macht Spaß, gegen ein Mann sol­cher Klasse zu spielen. Zumal er als Defen­siv­spieler auch sehr viel Druck nach vorne macht, woraus sich wie­derum für mich Mög­lich­keiten ergeben: Er stand mir jeden­falls nicht dau­ernd auf den Füßen.

Sie wurden nach dem WM-Finale 2002 der weiße Bra­si­lianer“ genannt. Erkennen Sie bei Leuten wie Roberto Carlos Ihre Grenzen?
Was die Kör­per­be­herr­schung und den Umgang mit dem Ball anbe­trifft, sind die Bra­si­lianer mit ihren Fähig­keiten zwei­fellos über­legen. Da mache ich mir nichts vor.

Was war das schönste Spiel Ihrer Kar­riere?
Ein ganz wich­tiges war die Zweit­li­ga­partie mit Carl Zeiss Jena gegen Ein­tracht Frank­furt in der Saison 1997/98, in der ich aus 16 Metern ein schönes Tor gemacht habe. Durch den Treffer wurde näm­lich die Ein­tracht auf mich auf­merksam, mit der ich im darauf fol­genden Sommer in die 1. Liga auf­stieg.

Wir dachten, das Spiel Ihres Lebens sei das WM-Finale 2002 gewesen?
Ein tolles Spiel, keine Frage. Aber mir fallen viele große Matches ein: etwa das Cham­pions-League-Halb­fi­nale gegen Man­chester United im glei­chen Jahr, als wir uns mit einem 1:1 über die Zeit gerettet haben – Pla­cente, wie er kurz vor Schluss den Ball auf der Linie rettet?… Auch solche Abwehr­schlachten ver­gesse ich nicht.

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