Da standen sie dann, um 17:19 Uhr etwa, ori­en­tie­rungslos, unko­or­di­niert, ein biss­chen wackelig auf den Beinen. Sie trugen Maler-Over­alls und wirkten wie junge weiße Shet­land­ponys, die eben noch im engen Geburts­haus lagen und nun erst­mals in das große Som­mer­ge­hege hin­aus­ga­lop­pierten. Huch, so viel Platz. Huch, so viel Luft. Ein­fach mal los­rennen. Irgend­wohin. Viel­leicht im Kreis, viel­leicht im Dreieck, viel­leicht gegen den Zaun.
 
Das mag sich gene­rell ziem­lich gut anfühlen, nach großer Frei­heit, Rebel­lion und dem ganzen Ché-Gue­vara-Rat­ten­schwanz, tat­säch­lich sieht es natür­lich auch ein biss­chen albern aus – so wie man im heu­tigen Tur­bo­ka­pi­ta­lismus nun mal eben aus­sieht, wenn man keinen echten Auf­trag hat.
 
Die Bild“ schrieb später von weißen Idioten“, die FAZ“ von einem Skandal“, alle anderen zumin­dest von einem rie­sen­großen Chaos. Die Fakten dazu: Schon wäh­rend des Spiels gegen Borussia Mön­chen­glad­bach hatten FC-Fans hau­fen­weise Pyro­technik abge­brannt, nach dem Schluss­pfiff rannten etwa 25 von ihnen auf den Rasen. Seitdem wird ordent­lich aus­ge­teilt. Die FC-Ultras spra­chen von aggres­siven Ord­nern. Der Verein distan­zierte sich hin­gegen umge­hend von den Ultras. Prä­si­dent Werner Spinner, der vor dem Spiel noch für mehr Ver­ständnis für die Ultras geworben hatte, zeigte sich erschüt­tert“, heute schloss der FC den Fan­klub Boyz“ aus. Der DFB kün­digte zeit­gleich ein Ermitt­lungs­ver­fahren an.

Bei 11FREUNDE herrscht natür­lich auch Ent­setzen. Wegen Gewalt, Pyro, Streit, und­so­weiter – doch vor­nehm­lich sind unsere Platz­sturm-Experten kon­ster­niert. Denn die große Frage ist unge­klärt: Was wollten diese Fans über­haupt auf dem Rasen? Braucht der gemeine Ultra von heute eine Anlei­tung für die rich­tige Platz­be­ge­hung? Viel­leicht. Aus­züge aus unserem Platz­sturm-Hand­buch von 1997 (über­ar­beitet 2013).
 
1.
Gestik und Mimik
 
1.1
Das Wich­tigste gleich zu Beginn: Der Gang ist nie­mals zögernd, er ist breit­beinig, wip­pend und leicht­füßig. Der Gegner – ima­ginär oder echt – weiß sofort: Man ist gut im Trai­ning und würde sogar gegen Ivan Drago und im Zwei­fels­fall die ganze UdSSR gewinnen.
 
1.2
Die Arme sind zudem leicht ange­win­kelt, die Hand­flä­chen – wichtig: auf Brust­höhe! – zeigen nach innen und sug­ge­rieren dem Gegner durch schnelle Komm-doch“-Winkbewegungen, dass man jede noch so harte Offen­sive mit schnellen Hand­kan­ten­schlägen abblo­cken könnte.
 
1.3
Damit ein­her­geht die Mimik. Der Gesichts­aus­druck sollte ver­mit­teln, dass man in der Ver­gan­gen­heit beim DSF mehr­fa­cher Cham­pion im Lkw-Ziehen wurde oder zumin­dest schon einmal das Arm­drü­cken gegen Frankie aus der 8c gewonnen hat. Fra­gende Gesichter, die den Rasen nach Betreten nach mög­li­chen Abzwei­gungen und Aus­gängen absu­chen, sind für das Erobe­rungs­vor­haben eher hin­der­lich.
 
(…)

ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWeZo3qnvsSinKtlp565pa7AoaVobGhugXSE